Unersättlich

Nicht ewig habe ich Zeit auf diesem Fleck Erde! Wertvolle Sekunden vergehen in Windeseile! Der Zeiger auf meinem grossen Zifferblatt verweilt keine Sekunde an der selben Stelle und kein Moment bleibt ungeschehen, er ist und bleibt für immer vergangen. Es ist, als möchte ich der Zeit vorauseilen, das Neue, Unbekannte rasch erhaschen, bevor es nicht mehr das erhoffte Meine ist.  Und dann, kaum habe ich es mit rauer Gier im Herzen eingefangen, gehört es wieder zum Vergangenen, weil es meine Sehnsucht weder stillt, noch ewig erfüllt. Ich bleibe ein weiteres Mal unersättlich auf der Strecke stehen, und frage mich, wann und wo meine Suche dann eigentlich enden will. 

Da wird es da draussen schrecklich still. Es knackt. Ein Ast vom Wind soeben abgeknickt, erinnert mich, dass diese Gier nach Leben nicht die Erfüllung ist. Gäbe es denn kein Zufriedensein mit dem, was bereits ist? Eine Genügsamkeit in der die Fülle des Lebens und ein inneres Sattsein, das nicht nur für einen Moment, sondern für immer standhaft ist? Ich sehne mich nach Leben, einer Art Lebensquelle, die meinen Durst für immer stillt. – Ich weiss, dass sie in Jesus Christus zu finden ist, doch bleibt dies oftmals  lediglich eine starre Theorie – Theologie: um ehrlich zu sein. Doch an diesem Punkt setzt der Heilige Geist in meiner Gedankenwelt ein. 

Eines Tages sass dort, weit draussen am Brunnen, eine Frau. Wir lesen von ihr in Johannes 4, 1-30. Damals, als Jesus ihr Lebenswasser versprach, kannte sie einen Gott, dessen Anbetungsort nicht weit entfernt, auf Ihrem Hausberg war. Ihr Stammvater, Jakob, hatte dort angebetet. Sie hätte davon wissen müssen, es sich verinnerlichen müssen, weil sie wusste, wer ihr Gott war. Enttäuscht war sie jedoch jetzt von der Theorie, von einem vermeintlichen Lebenssinn, genauso wie von ihrer fixen Theologie! 

Nun sass er, der ihr noch fremde Gottessohn, ganz nah, dicht neben ihr, dort draussen auf dem Brunnenrand. Und sie? – Hatte ihn noch immer nicht erkannt. Vielleicht, weil dieser Menschensohn nicht der Vorstellung der Väter entsprach? Oder meinte sie ihr unausgesprochenes Lebensziel, von einem Mann bedingungslos geliebt zu werden, endgültig verpasst zu haben? Vergessen wurde sie, in die Einsamkeit hinaus verstossen war sie: in ihren eigenen Lebens-wahnsinn hinausgestossen. Doch: „Wer ist denn dieser Fremde überhaupt neben ihr?“ 

Er tut etwas Sonderbares: Er sprengt ihren und auch meinen engen Gedankenrahmen. „Ihr werdet mich überall anbeten können. Denn Gott ist Geist und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“, Jesus, der Sohn Gottes, in Johannes 4,24. 

Er sagt: „Mich… werdet ihr… überall anbeten“. 

Nicht Äusserlichkeiten sind es, die einem Leben Sinn verleihen. Egal, ob diese nun in einer Religion, oder an einem wahren heiligen Ort erscheinen. Sie können auch schrecklich irdisch, götterhaft sein, weil sie nicht ihn, sondern einen Götzen meinen. Es gibt einen Menschen- und Gottessohn,  der sieht den lechzenden Durst nach Liebe und wahrem Leben in mir. Er hält frisches Lebenswasser, so sprudelnd frisch, bereit. Vielleicht sitzt er jetzt genauso dicht – da draussen – neben mir. 

Er, der mir nicht fremd erscheint, schaut mich mit einem liebevollen Lächeln an und meint: „Sagte ich’s doch! Frisches Lebenswasser gibt’s bei mir! Ich bin die Wahrheit und das Leben. Das schenk ich dir.“

Maja Hugentobler